Eigentlich sollte dieser Blog ja so etwas wie ein Fahrtenbuch für das Wohnmobil werden. Zur Zeit sieht es so aus, als würde er auch ein Klettersteigbuch. Schon ungefähr 14 Tage zuvor hatten wir geplant, für ein paar Tage ins Lesachtal zu fahren. Zuerst wollten wir den Klettersteig in der Millnatzenklamm gehen und dann auf den Plöckenpaß fahren oder irgendwo im Gailtal andere Klettersteige aufsuchen. Doch wie so oft kam es anders. Am
Mittwoch den 24.06.2020 ging es los. Abfahrt war um 09:25 bei 106.989 km. Wir fuhren durch das Gailtal bis Kötschach-Mauthen und dann weiter nach Westen hinauf ins Lesachtal. Ich hatte ja schon gewußt, was auf uns zukommt und ich fand es auch gar nicht schlimm, aber Evelyn machte die kurvenreiche, manchmal steil ansteigende Lesachtalstraße nervös. Noch nervöser wurde sie, als wir in Klebas scharf rechts abbiegen und eine sehr schmale Straße steil hinauf nach Tscheltsch und weiter nach Ladstatt fahren mußten. Sie hegte solche Befürchtungen, daß wir letztendlich nicht weiterkommen würden, daß ich schließlich 2,5 km vor dem Einstieg zum Klettersteig bei einem schönen großen Bauernhof stehenblieb, um Auskunft einzuholen.
Der Bauer war eine würdige Type. Seine erste Äußerung war: „Der Klettersteig ist zu.“ Dann kam er darauf zu sprechen, daß nach einem Sturm im Vorjahr sehr viele umgestürzte Bäume herumliegen würden und er als Errichter des Klettersteiges diesen erst freigeben würde, wenn alles aufgeräumt sei, daß man aber im wirklichen Leben ruhig gehen könne, es sei halt auf eigene Gefahr, er übernähme keine Haftung.
Er erwies sich als ausgesprochen redselig und ich erfuhr, daß er Alpinpolizist sei, bei der Bergrettung, daß er früher viel geklettert sei und vor ein paar Jahren lange nachgedacht habe, ob er sich in die Niederungen der Klettersteiggeher hinabbegeben sollte, daß er 6000 ehrenamtliche Arbeitsstunden in den Klettersteig und den Walderlebnisweg investiert habe, daß seine Frau Villacherin aus Vassach sei und daß er mit Micha Tiefenbacher in die Schule gegangen sei. Mit einem Blick auf meine Sebago-Docksides Segelschuhe meinte er, daß der Steig mit diesen Schuhen vielleicht doch nicht begangen werden sollte und als ich antwortete, daß ich dafür andere Schuhe mithätte, konterte er gleich, daß er wisse, daß ein Mensch, der eine Löffler Berghose trägt, auch über anderes Schuhwerk verfügt. Schließlich war auch Evelyn dazugekommen und wir beendeten das Gespräch mit der Auskunft, daß schon einmal ein 34-Sitzer Bus bis zum Parkplatz beim Einstieg gefahren sei.
Nach dem Abstieg hatten wir noch einen kurzen Aufenthalt beim letzten Bauern. Der hatte in seiner Hofdurchfahrt Siloballen so abgelagert, daß ich nur langsam und vorsichtig mit dem Wohnmobil zwischen Siloballen und Zaun durchbasteln konnte. Und genau an dieser Langsamkeit scheiterte das Ganze. Der Untergrund war weich und mit vollem Wassertank sanken wir mit den Rädern so tief ein, daß wir fast stecken geblieben wären. Mit Schwung wäre es gegangen, aber für eine schnelle Durchfahrt war mir die Sache zu eng. Also warten, bis der Bauer sich vom Mittagsschlaf erhoben hatte, um einen Siloballen beiseite zu schaffen.
Nun machten wir uns auf zum „Panoramacamping Lesachtal“. Dort war alles zu. Ein Zettel an der Haustür verwies Lieferanten auf eine Handynummer. Ich rief sie an und es meldete sich der Eigentümer. Der Pächter sei nicht da, er habe einen Arzttermin und käme erst morgen.
„Stellt Euch irgendwo hin und zahlt morgen, wenn ihr fährt. Wenn der Pächter dann noch immer nicht da ist, zahlt ihr eben nix. Strom ist eingeschalten, die Sanitärräume sind offen.“
Es wurde ein beschaulicher Spätnachmittag und Abend auf einem schönen Naturplatz mit blauem Himmel. Nur die höchsten Gipfel der Karnischen Kette waren in Wolken gehüllt. Zum Abendessen gab es Paradeiser und Mozarella ohne Basilikum und mit Sonnenblumen- statt Olivenöl. Geschmeckt hat es trotzdem.
Donnerstag, 25.06.2020
In der Nacht hatte es zugezogen und irgendwann wurde ich wach und stellte fest, daß es in Strömen regnete. Gleich schlief ich wieder ein und schlief noch besser, während der Regen auf das Dach trommelte. Als ich um 06:00 aufstand, schreckte irgendwo in der Nähe ein Reh lange und ausdauernd. Der Himmel war komplett bedeckt und der Regen wechselte immer wieder zwischen Nieseln, Landregen und Guß. Schon um halb sieben läuteten rundherum alle möglichen Kirchenglocken. Kirchen und Kirchlein gab es hier etliche. Beim Frühstück konsultierten wir unsere Wetter-Apps und stellten fest, daß es in Nordtirol noch am schönsten wäre. Evelyn meinte, wir sollten Innsbruck besuchen. Es sei eine schöne Stadt und sie schon lange nicht mehr dort gewesen.
Wir packten also unsere Sachen. Der Pächter war noch immer nicht da und so verließen wir den schönen Platz nach einer Gratisnacht Richtung Westen. Über Maria Luggau, Sillian, Brixen ging es nach Bruneck und dann über die Brennerautobahn nach Innsbruck. Dort hatte Evelyn schon den Campingplatz Kranebitten ausgewählt, der von der Autobahn aus rasch zu erreichen war. Schnell fanden wir heraus, daß der allerschönste Stellplatz noch frei war und nahmen ihn in Beschlag. Die Bushaltestelle war nur wenig mehr als 100 m entfernt und wir nahmen den K-Bus und dann die 2er Tramway bis zum Terminal Marktplatz. Wir spazierten durch die Maria Theresienstraße, zum Goldenen Dachl und weiter bis zum Terminal der Nordkettenbahnen. Ich hatte mich richtig erinnert, daß man zuerst mit dem Schrägaufzug zur Hungerburg mußte, dann mit der Gondel zur Seegrube und schließlich mit einer weiteren Gondel bis zum Hafelekar. Von dort ging ein Klettersteig bis zur Frau Hitt. Allerdings war die Zeit wegen seiner Länge von ca. 3 km mit 5 h angegeben. Evelyn meinte, dies sei zu lange und außerdem wäre es um diese Jahreszeit in der Seehöhe von 2.300 – 2.400 m zu kalt.
Wir beschlossen daher, in einem Gasthaus zu Abend zu essen und wählten den Stiftskeller. Ausgezeichnetes Gulasch mit Brezenknödel und dazu ein Augustiner Edelstoff!
Zurück fuhr uns der K-Bus durch abenteurliche Gäßchen bis zum Campingplatz. Dort begann ein ausgiebiges Studium von Kletter-Apps, Wetter-Apps, Navi und Evelyns Buch „Klettersteigführer Österreich“. Evelyn wollte gerne wieder die Pirknerklamm bei Oberdrauburg gehen, die uns im Vorjahr recht schwer vorgekommen war, um zu sehen, wie sie uns jetzt von der Hand ging. Dies wollten wir aber am Samstag Vormittag machen, um danach nach Villach zurückzukehren und dort spätestens am frühen Nachmittag einzutreffen, war doch am Abend eine Grillerei mit Hajkos „Nochnichtschwiegereltern“ angesagt. Was also morgen? Wir erörterten zahlreiche Möglichkeiten, aber ich fand rasch einen Klettersteig, von dem ich annahm, daß er Evelyn sehr gefallen würde. Den Hausbachfall-Klettersteig bei Reit im Winkl. Ich lenkte daher das Gespräch immer wieder auf diesen und schließlich fiel auch die Entscheidung dafür.
Tagwache war für mich wieder um 06:00 aber im Gegensatz zu sonst verzichtete ich ab 07:00 auf jegliche Geräuschtarnung und machte Frühstück, sodaß wir um 09:25 den Campingplatz verlassen konnten. Bezahlt hatten wir schon gestern € 31,--. Wir glitten mit 90 km/h über die dauerbeschränkte Inntalautobahn bis Kufstein Nord und fuhren dann über Ebbs und Kössen nach Reit im Winkl.
Wie der Klettersteigführer versprochen hatte, war der Zustieg sehr kurz. Vom großen Parkplatz beim Feuerwehrhaus und der Festhalle zur Kirche in ca. 5 min und von dort hinauf über den Barfußparcours zum Einstieg in weiteren 10 min. Der Steig sah von unten recht harmlos aus, aber hatte es in sich. Nach wenigen Aufstiegsmetern eine lange Querung an einer fast senkrechten Wand mit Stellen, wo die Tritte spärlich waren und die Arme – vor allem beim Umhängen der Sicherung – müde wurden. Schließlich kamen wir zu einer Stelle, bei der es kurz überhängend senkrecht hinaufging. Vor uns ging ein Pärchen und der Mann – ein Kerl, größer als ich, mit muskelbepackten Armen – gab auf. Diese Stelle würde er nicht schaffen. Also mußten wir warten, bis er schwierig ein paar Meter zurückgeklettert war, um sich dann auf einen „Notausstiegsweg“ hinunterzuhandeln. Während des Staus hatte ein weiteres Pärchen – zwei junge Leute – aufgeholt und wir gaben ihnen den Vortritt. Die überhängende Stelle, an der der Muskelprotz aufgegeben hatte, bewältigten wir ohne große Schwierigkeiten, mir erschien sie sogar leichter, als die Querung zuvor, bei der ich und auch Evelyn einmal sogar Probleme mit dem Umhängen der Sicherung gehabt hatten. Danach kam ein kleines Rastplatzerl und dann die Seilbrücke, die die Hälfte des Steiges markiert. Der zweite Teil war Gottseidank leichter als der erste und wies nur eine einzige Schwierigkeit mit einem leichten Überhang auf, den ich noch leichter als Evelyn meisterte, vermutlich eine Frage der Körpergröße. Oben angelangt freuten wir uns sehr und waren stolz auf uns und aufeinander. Ein echt lässiger Steig.
Zurück in Reit im Winkl stellten wir fest, daß wir vom Wohnmobil bis zurück knapp weniger als zwei Stunden benötigt hatten, also eine sehr gute Zeit. Evelyn verbot mir wegen der bevorstehenden Fahrt das Bier, von dem ich meinte, wir hätten es uns verdient, und so lenkten wir das Wohnmobil über St. Johann in Tirol, Kitzbühel, Paß Lueg und den Felbertauern nach Lienz. Nach einem Lebensmitteleinkauf für einen abendlichen Wurstsalat fuhren wir die letzten Kilometer zum Campingplatz Seewiese am Tristacher See.
Ein herrlicher Platz. Es ist tatsächlich eine Wiese mitten im Wald. Der Tristacher See ist klein, man umrundet ihn zu Fuß in 20 min, aber sehr idyllisch gelegen. Während ich in der untergehenden Sonne vor dem Wohnmobil saß und an diesem Blog schrieb, schreckte im Wald wieder ein Reh.
Samstag 27.06.2020
Daß ich erst spät erwachte und aufstand, war nicht die Ursache, daß wir spät losfuhren, aber durch Evelyn's Getschure wurde es halb elf, bis wir den Campingplatz verließen.
Nach kurzer Zeit hatten wir Pirkach erreicht. Wir fanden auch relativ bald einen Parkplatz für das Wohnmobil und gingen zum Einstieg des Pirknerklamm-Klettersteiges.
Der Anfang ging leicht von statten, aber bei der ersten Seilbrücke war ein gewaltiger Stau. Eine Zehnergruppe von (wahrscheinlich) Ungarn mit zwei Bergführern und vielen Anfängern brauchte eine Ewigkeit, um die Schlüsselstelle zu überwinden. Endlich kamen auch wir an die Reihe und wunderten uns beide, wie leicht diese Stelle, die uns im Vorjahr große Probleme bereitet hatte, von statten ging. Danach hatten wir auch immer wieder Aufenthalte, weil noch eine Gruppe von vielleicht acht Personen uns zum Warten zwang. Aber schließlich nach 2 Stunden waren wir durch und freuten uns über die Leichtigkeit mit der wir diesmal den Steig durchgangen waren.
Die Heimfahrt nach Villach verging ohne Besonderheiten. Beim Tanken in Steinfeld ermittelte ich einen Verbrauch von 11,3 l. Um 15:30 trafen wir zu Hause ein. Bei 107.642 also nach 653 Kilometern stellte ich das Wohnmobil ab und sogleich machten wir uns bereit für die Grillerei mit Simone's Vater, Stiefmutter und Großeltern.
T=4
TJ=19
TG=19
S=2.607
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